Zwei Wochen lang weinte Tanja G. (26) aus München bei jedem Anlegen ihres ersten Kindes. Beim zweiten Baby waren die Schmerzen erneut unerträglich. Trotzdem bedrängte sie das Klinikpersonal auf eine Weise, die sie noch immer wütend macht. Ein Erfahrungsbericht.
“‘Stillen ist das Beste für Ihr Kind’ – das wurde mir im Geburtsvorbereitungskurs sehr genau erklärt. Um wirklich alles richtig zu machen und optimal aufs Stillen vorbereitet zu sein, schloss ich sogar noch einen Stillkurs ab. Danach wartete ich sehnsüchtig auf mein Kind.
Meine Tochter kam im Sommer 2012 auf die Welt. Nach der Spontangeburt erklärten mir die Schwestern sofort, wie und vor allem wie oft ich stillen soll. Konsequent und strikt folgte ich dem Plan, den Hebammen, Schwestern und Stillberaterinnen vorgaben und legte mein Kind etwa alle dreieinhalb bis vier Stunden an jeder Brust 20 Minuten an.
Ich befolgte alles, was man mir riet
Vier Tage blieb ich insgesamt in der Klinik – von Milcheinschuss keine Spur. So ging ich nach Hause mit einer Packung Stillkugeln (ähnlich wie Pralinen) und wartete mit meinem Kind weiter jeden Tag auf den Milcheinschuss. Dann begann ich das Zufüttern.
Um die Milchproduktion anzukurbeln, riet mir meine Nachsorgehebamme, die mich zu Hause täglich betreute, abzupumpen und Stilltee zu trinken. Mein Mann fuhr sofort los und besorgte eine elektrische Pumpe aus der Apotheke. Die Apothekerin und meine Hebamme erklärten übereinstimmend, ich solle alle vier Stunden pumpen und alle vier Stunden anlegen, so war ich quasi alle zwei Stunden mit diesen Vorgängen beschäftigt.
Dann endlich kam der Milcheinschuss! Doch trotz Pumpen, Stilltee und Anlegen kamen nicht einmal fünf Milliliter Milch aus meinen Brüsten. Durch das viele Pumpen und Anlegen waren meine Brustwarzen inzwischen derartig entzündet, dass ich wahnsinnige Angst vor jedem Vorgang hatte.
Bei jedem Anlegen weinte ich vor Schmerz
Meine Hebamme meinte, ich solle Paracetamol oder Ibuprofen nehmen und dann: ‘Augen zu und durch!’ Auch das nahm ich in Kauf, nur die Brustwarzen entzündeten sich so schlimm, dass sich schon Eiterbläschen darauf bildeten. Trotzdem wollte ich nicht aufgeben, vor jedem Vorgang weinte ich vor Schmerz (trotz Schmerzmittel) und meine Tochter ebenfalls, weil immer noch keine Milch kam bzw. nicht annähernd ausreichend für sie.
Psychisch war ich am Ende und beschloss nach zwei Wochen und mit schlechtem Gewissen, das Stillen aufzugeben und komplett auf Flaschennahrung umzusteigen. Auch das verlief zunächst nicht reibungslos: Meine Tochter übergab sich nach jeder Flasche. Doch als wir die richtige (Pre-)Milch gefunden hatten, schlief sie auf Anhieb die Nächte durch, kein Weinen mehr, keine Ängste mehr. Selbst Blähungen waren bei uns ein Fremdwort.
Auch für meinen Mann brach eine neue Ära an: Er freute sich unendlich, auch diese Nähe mit dem Kind beim Füttern zu spüren und unserer Tochter so ein großes Stück näher zu kommen.
Statt Milch kam Blut
So verging die Zeit und wir entschlossen uns zu einem weiteren Kind. In der zweiten Schwangerschaft wurde mir schon eingeredet, ich solle es trotzdem noch einmal mit dem Stillen versuchen, es müsse nicht immer so sein wie beim ersten Mal.
Im Winter 2015 war es dann so weit. Da es diesmal keine Spontangeburt, sondern ein Kaiserschnitt aufgrund Beckenendlage war, bekam ich ohnehin Schmerzmittel. Die Schwestern und Hebammen kannten meine Vorgeschichte und schickten mir zwei Stunden nach dem Kaiserschnitt eine Stillberaterin ins Zimmer, die mir zwei Stunden lang das Stillen nahelegte. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch nicht wirklich aufnahmefähig war, ging ich darauf ein.
Jedoch hatte ich nach jedem Anlegen mehr Schmerzen vom Stillen als vom Kaiserschnitt (trotz Schmerzmittel) und bereits nach dem zweiten Tag im Krankenhaus Risse in den Brustwarzen. Statt Milch kam nur Blut.
‘Eine Frau in Afrika hätte jetzt auch keine Wahl’
Als meine Mutter das Drama miterlebte, ermutigte sich mich zum Abstillen. Daraufhin verwies die Schwester meine Mutter aus dem Zimmer mit der Begründung, sie wäre schlechter Einfluss für mich. Im Anschluss war mein Zimmer bevölkert von einer Hebamme, einer Schwester und einer Stillberaterin, die geradezu wütend auf mich einredeten, das Stillen nicht aufzugeben.
Sogar ein Arzt wurde noch hinzugezogen, der mir erklärte, dass die Mütter in seiner Heimat Afrika in solchen Situationen das Kind nicht verhungern lassen könnten und nicht egoistisch sein dürften. Außerdem gäbe es dort keine Möglichkeit, Flaschennahrung zu geben. Die Mütter müssten sich das Stillen auch mühsam erkämpfen. Jetzt aufzugeben, wäre in seinen Augen mehr als falsch.
Genug mit den Schmerzen
Diese Aufdringlichkeit und Bevormundung waren für mich der Gipfel. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und mich in meiner Entscheidung nur festigte: Ich stieg wieder auf Flaschennahrung um und beendete das Stillen. Auch, um mich voll und ganz auf meine Kinder zu konzentrieren und nicht permanent von Schmerzen geplagt zu sein.
Ist man deshalb nun eine weniger gute Mutter? Ganz im Gegenteil. Weil man das tut, was in der Situation das Richtige, das Beste ist – obwohl viele versuchen, einen davon abzuhalten – und man seinem Kind endlich seine volle Liebe und Aufmerksamkeit schenken kann.”
Das ist ja die Höhe, wie Schwester, Hebamme, Stillberaterin und sogar der Arzt dich quasi fast schon zum Stillen gezwungen haben! Ich empfand die wunden Brustwarzen auch als viel schmerzhafter als die Geburtsschmerzen und kann dich voll und ganz verstehen. Man kann noch so viele Tipps befolgen, wenn man empfindliche Brustwarzen hat, bringt das nicht viel! Warum soll man sich da denn dann umsonst quälen?! Wo Flaschennahrung hierzulande eine wirklich hochwertige Alternative ist. Ich vergleiche das mittlerweile gern mit Fortschritt, den man dankend annimmt. Früher gab es keine Waschmaschinen, und die Frauen mussten alles wirklich mühsam mit der Hand waschen. Mittlerweile würde das keine Frau freiwillig mehr machen wollen. So ist es doch auch mit dem Stillen! Schrecklich ist wirklich dieser Stillzwang, es geht ja schon im Geburtsvorbereitungskurs los damit. Wichtig ist da, dass man wirklich hinter seiner Entscheidung steht und sich nicht ins Bockshorn jagen lässt. Wir sind trotzdem, oder vielleicht sogar gerade deshalb tolle Mütter!