Elternsein ist so schön – und auch so anstrengend. Matthias Siebringhaus (34), Veranstaltungstechniker aus Neersen, ist Papa von einem Flaschenkind und erklärt, wo die Gesellschaft noch so einiges zu lernen hat und warum die Babyflasche etwas so Wunderbares ist. Ein Erfahrungsbericht.
“Die Schwangerschaft war für meine Frau sehr beschwerlich. Die ersten Monate war Steffi geplagt von extremer Morgen-Übelkeit und Erbrechen. Dann kam der heiße Sommer und die Kreislaufprobleme, und dann – um die 25. Woche – reihte sich noch eine Symphysenlockerung ein, die sie dann endgültig außer Gefecht setzte. Sie hatte solche Schmerzen, dass sie sich nur auf Krücken fortbewegen konnte. In der 28. Schwangerschaftswoche war es so schlimm, dass sie ins Krankenhaus musste. Den Ärzten gelang es jedoch, dass es einigermaßen erträglich wurde.
Ich fühlte mich hilflos
Für mich war diese ganze Zeit über das Schlimmste, dass ich ihr nicht helfen konnte. Auch wenn ich ihr was zu Essen brachte oder sonst etwas: Ich hatte das Gefühl, sie muss es alleine durchstehen. Am Abend, bevor unser Sohn geholt wurde (aufgrund der Symphysenlockerung wurde ein Kaiserschnitt gemacht), hatte Steffi sich in die Wanne gelegt, um noch mal zu entspannen. Ich nahm mir einen Stuhl, setzte mich neben sie, und wir sprachen über dies und das – auch das Stillen.
Steffi war bei diesem Thema schon immer etwas hin- und her gerissen. Für sie sprach vieles dagegen. Unter anderem wollte sie mir ermöglichen, mich mehr mit in die Pflege und das Umsorgen unseres Sohnes einzubinden, da dies ihrer Meinung nach von der Gesellschaft viel zu sehr vernachlässigt wird. Trotzdem riet ich ihr, es wenigstens zu versuchen mit dem Stillen.
Er war da – die schönsten Augenblicke meines Lebens
Und dann war es so weit. Auch wenn es jetzt aus Männersicht etwas kitschig klingt: Als mein Sohn im November 2015 auf die Welt kam, stand die Zeit für einen Augenblick still. Während meine Frau versorgt wurde, ging ich mit der Hebamme in den Kreißsaal, wo er gemessen und gewogen wurde. Dann haben wir ausgiebig gekuschelt, Haut an Haut. Nach wie vor ist das der schönste Augenblick gewesen. Als meine Frau dann aus dem OP kam, durfte sie auch erst mal kuscheln. Und dann stellte die Hebamme die Frage aller Fragen: ‘Möchtest du stillen?’
Stillen oder nicht stillen?
Ich merkte schon, wie Steffi sich verkrampfte – und ich glaube, am liebsten hätte sie Nein gesagt. Noch am Abend vorher hatte sie mich instruiert, im Zweifel einzuschreiten, wenn sie zu etwas überredet zu werden drohe, was sie nicht will.
Doch dann legte sie unseren Sohn an. Aus meiner Sicht war es eine Katastrophe. Er hatte enorme Probleme mit ihrer sehr großen Brust, und sie lag heulend und total verkrampft im Bett. Gott sei Dank hatten wir eine super Hebamme, die die Situation direkt erkannte. ‘Das hat keinen Zweck, du quälst dich ja nur!’
Wir machten es uns leicht? Mitnichten
Ich muss sagen, dass ich diese Entscheidung keine Sekunde bereue. Ich hatte endlich das Gefühl, zu etwas gut zu sein. ICH kann auch meinen Sohn ernähren! Als wir aus dem Krankenhaus nach Hause kamen, konnten Steffi und ich uns nachts abwechseln, so dass jeder genug Schlaf bekommen konnte.
ABER: Jeder, der behauptet,wir hätten es uns leicht gemacht, hat keine Ahnung. Das Flaschegeben ist ein sehr viel größerer Aufwand als zu stillen. Als Stillende dockt man an – und gut ist. Die Flasche muss gespült und sterilisiert werden, man muss immer schauen, das man genug im Haus hat, und es ist im Vergleich zur Muttermilch einfach teuer.
Außerdem muss Steffi sich oft rechtfertigen, warum sie nicht stillt. Die wenigsten kommen von selbst darauf, dass ihr Körper ist und keinen es etwas angeht, ob sie stillt oder nicht.
Viele beschweren sich, sie würden schräg angesehen werden, wenn sie in der Öffentlichkeit stillen. Dann gebt eurem Kind mal öffentlich die Flasche! Die Blicke durchbohren einen förmlich, und oft ernten wir verachtendes Schnauben.
Wir kennen einige Mamas, die völlig erschöpft sind, weil sie diese Last alleine tragen. Wir waren froh, dass wir es uns geteilt haben – wobei wir auch ein großes Verständnis füreinander entwickeln und diese ja nicht nur anstrengende, sondern auch so zauberhafte Phase nach der Geburt wirklich genießen konnten. Das bleibt uns für immer!
PRE, HA – HÄÄÄ?
Meine Frau hasst mich manchmal dafür, dass ich diese so viel im Internet recherchiere. Beim Thema Flaschennahrung hatte ich zunächst das Gefühl, man muss studiert haben. PRE, HA, mit und ohne rechts- oder linksdrehende Bakterien … Letztendlich haben wir uns für die Sorte entschieden, zu der unsere Hebamme uns riet. Wir hatten zunächst die gleiche Nahrung wie im Krankenhaus geholt, sie meinte jedoch, wir können ruhig zu einer anderen günstigeren Marke wechseln, da die gleichen Inhaltsstoffe drin seien. Das hat auch wunderbar geklappt.
Männer nehmen in den Arm, Männer geben Geborgenheit ..
Als Fazit kann ich nur sagen: Väter werden von der Gesellschaft und Industrie total vernachlässigt. Eigentlich ist es schon diskriminierend. In der Werbung sieht man entweder stillende Mütter oder Frauen, die die Flasche geben. Ich habe noch in keiner Werbung einen Papa gesehen. Dabei können wir auch was für unsere Frauen und Kinder tun: Auch wir können unseren Kindern Zärtlichkeit und Geborgenheit geben, sie ernähren und unsere Frauen entlasten. Gerade nachdem sie neun Monate lang unseren Nachwuchs in sich getragen haben!
Und streng genommen ‘stillen’ wir Flaschen-Eltern auch. Hat das Kind Hunger und schreit, gibt man ihm die Flasche und das Kind ist auch ‘still’. :-)”