Die Erfahrung von Julia W. spiegelt die emotionalen Qualen wider, die viele Mamas durchmachen, die nicht stillen können: Sie sehen zwar, dass ihr Flaschenkind glücklich gedeiht, hadern aber mit sich. Julia hätte sich einiges erspart, hätte sie die Dinge damals so entspannt sehen können wie heute.
“Nachdem die Schwangerschaft nicht ganz so verlaufen war, wie erwartet, lief die Geburt meiner Tochter Anna glücklicherweise recht unkompliziert. Doch bereits das erste Anlegen im Kreissaal gestaltete sich nicht so einfach. Die betreuende Hebamme brauchte 20 Minuten dafür und kam ganz schön ins Schwitzen. Ich hatte mich sehr auf das Stillen gefreut, ich wollte für meine Tochter nur das Beste und alles richtig machen.
Auch in den weiteren Tagen auf der Wöchnerinnenstation war das Anlegen schwierig, aber mit Hilfe der geduldigen Schwestern klappte es meistens. In der dritten Nacht hatte die Kleine jedoch so viel abgenommen, dass ich zufüttern sollte.
Am nächsten Tag wollten wir endlich nach Hause, doch bei einer Stillprobe zeigte sich, dass Anna selbst nach vierzig Minuten an der Brust praktisch nichts getrunken hatte, obwohl Milch eingeschossen war. Also wurde mir ein Rezept für eine elektrische Milchpumpe in die Hand gedrückt mit der Empfehlung, die Kleine nun bei jeder Fütterung eine halbe Stunde anzulegen – damit sie das Trinken an der Brust nicht verlernt – ihr dann die Flasche zu geben und anschließend noch eine halbe Stunde abzupumpen, damit der Milchfluss nicht abnimmt. Zusammengerechnet also eine Prozedur von eineinhalb Stunden.
Verzweiflung – und keine Kraft mehr
Zu Hause unterstützte mich meine Nachsorgehebamme und machte mir Mut, dass die Kleine mehr und besser an der Brust trinken würde, wenn sie ein bisschen zu Kräften gekommen wäre. Leider änderte sich in den nächsten Tagen und Wochen aber nichts an Annas Trinkverhalten. Wenn ich es schaffte, sie anzulegen, dann nuckelte sie zwar friedlich an meinen Brustwarzen herum – die natürlich längst blutig waren – aber getrunken wurde nur die abgepumpte Milch aus der Flasche.
Meine Kleine hatte alle zwei bis drei Stunden Hunger, demnach blieb mir kaum Zeit zum Ausruhen oder Schlafen, sodass ich nach zwei Wochen nachts nur noch einmal abpumpte. PRE-Milch kam zum Einsatz, und meine Nerven lagen blank. Nach weiteren zwei Wochen war ich nur noch am Heulen. So ging es nicht weiter, ich konnte einfach nicht mehr. Gleichzeitig wollte ich nicht aufgeben, andere Mütter schafften es doch auch, warum ich nicht?
Ich war völlig verzweifelt, körperlich und emotional am Ende. Doch mit dem Stillen aufzuhören kam mir wie Aufgeben und Versagen gleichzeitig vor.
Flaschenkind ging es gut, mir aber nicht
Ich hatte mir das alles anders vorgestellt. Meine Familie redete mir gut zu, dass eine gute Mutter nicht unbedingt eine stillende Mutter sein muss. So wurde Anna nach vier Wochen Stillen zum Flaschenkind, und natürlich ging es ihr sehr gut! Ich dagegen hatte noch Wochen und Monate emotional zu kämpfen: mit mir und meiner Entscheidung abzustillen.
Jedes mal, wenn ich eine stillende Mutter sah oder das Thema angesprochen wurde, war ich den Tränen nahe und hatte das Gefühl, mich verteidigen zu müssen. Keiner machte mir ein schlechtes Gewissen, nur ich selbst.
Manchmal kommt es anders als man denkt!
Im Nachhinein betrachtet, war es für Anna und mich die richtige Entscheidung. Heute sehe ich das damalige Abstillen viel rationaler und völlig entspannt. Meine Tochter hat sich prächtig entwickelt. Es kommt eben nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt. Wenn ich ein weiteres Kind bekomme und es dann mit dem Stillen klappt, ist es gut, klappt es nicht, ist es genauso gut.”