Fast alle Frauen wollen stillen. Wenn es nicht klappt, wird ihr Informationsbedürfnis nach Säuglingsnahrung von Fachkräften viel zu häufig übergangen, kritisiert Kinderkrankenschwester Lucia Cremer (49).
“‘Möchten Sie Ihrem Baby Muttermilch oder Säuglingsnahrung füttern?’ Diese Fragen beantworten im Geburtsvorbereitungskurs mehr als 90 Prozent der Frauen mit ‘Muttermilch’. ‘Stillen ist das Beste fürs Baby’ und ‘Ja, natürlich möchte ich Stillen!’ – mit diesem selbstverständlichen Vorsatz beginnt dann das Wochenbett und die erste, sehr besondere Zeit mit dem Baby.
Oft klappt das Stillen von Anfang an, in vielen Fällen auch erst nach einigen Anfangsschwierigkeiten und mit Unterstützung der Hebamme, Kinderkrankenschwester oder durch Freunde und Familie.
Doch manchmal will das mit dem Stillen so gar nicht funtionieren. Das Baby ist unruhig und wirkt unzufrieden, die Eltern sind überfordert, und trotz aller Anstrengung, festem Willen und innerer Überzeugung will es einfach nicht klappen. Sprüche wie ‘Jede Frau kann stillen, wenn sie nur möchte’ oder ungefragte Ratschläge von Außenstehenden sind in dieser Situation wenig hilfreich.
Nicht-stillende Frauen fühlen sich oft allein gelassen
Mir persönlich ist es deshalb sehr wichtig, dass Stillberatung auch die Option der Zufütterung und Flaschennahrung als Ergänzung zulässt und die Frau beim und auch nach dem Abstillen weiterhin betreut und von einer Fachkraft beraten wird.
Gerade in dieser emotional schweren Zeit fühlen sich viele Frauen allein gelassen, und oft haben sie wirklich Mühe, eine Antwort auf ihre Fragen zu Muttermilchersatz zu erhalten.
Auf die Frage der Mutter ‘Mit dem Stillen will es einfach nicht klappen, welche Nahrung soll ich nun nehmen?’ sollte die Antwort nicht lauten ‘Haben Sie denn schon dies und das probiert, um weiter zu stillen?’ Das ist der Frau keine Hilfe, sondern setzt sie nur noch mehr Druck. Sie hat das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. Ja, sie hat alles getan, wirklich, sie hat alles ausprobiert. Und ich kann es bezeugen: Ich erlebe Frauen so motiviert, gut vorbereitet, sie haben die volle Unterstützung ihres Partners und einer großartigen Hebamme – und trotzdem hat es nicht geklappt.
Wenn ich auf ihre Frage ‘Welche Nahrung soll ich füttern?’ antworte: ‘Das kommt ganz darauf an, wie alt dein Baby jetzt genau ist und ob in der Familie Allergien vorkommen’, ist ihnen die große Erleichterung oft ins Gesicht geschrieben. Diese Frauen sind sehr dankbar, endlich eine Antwort zu erhalten. Sie haben das Gefühl, am Ende eines schweren Weges Licht im Dunkeln zu sehen.”
Lucia Cremer arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Kinderkrankenschwester in Eschweiler. Die Buchautorin und zweifache Mutter bietet regelmäßig Kurse und Weiterbildungen an und ist auch im Internet auf ihrer Seite babytipps24.de als Expertin für Babynahrung aktiv.