Diana P. / ZVG
(c) Diana P. / ZVG
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Diana (29), Lehrerin aus Leipzig, versuchte alles, um ihre Tochter mit Muttermilch füttern zu können. Doch aus gesundheitlichen Gründen musste sie zufüttern. Die Entscheidung, dass ihr Kind ein Flaschenkind werden musste, verarbeitet die junge Mutter aufgrund der verunsichernden Reaktionen ihres Umfelds noch immer. Ein Erfahrungsbericht.

“Am 27. August 2015 erblickte meine Tochter das Licht der Welt. Nachdem die Geburt nur fünf Stunden gedauert hatte und die Schmerzen endlich vorbei waren, weiß ich noch, dass ich dachte: ‘Schön, dass das so gut geklappt hat. Eigentlich könntest du nun nach Hause gehen.’ Da mein Kreislauf dabei aber nicht mitspielen wollte, blieb ich für die obligatorischen drei Tage im Krankenhaus. Meinem Kind ging es mit etwas über 4000 Gramm und einem sogenannten Kephalhämatom recht gut.

Ich war noch so voll von Schmerz

Zur Nacht wurde sie von einer lieben Kinderkrankenschwester abgeholt, damit ich ein paar Stunden schlafen könne, leider erfolglos. Am nächsten Morgen wurde mir mein Kind gebracht und gezeigt, wie ich es anlegen sollte. Das Anlegen war schmerzhaft und ich weiß noch, dass ich dachte: ‘Oh, ich will das nicht nach dem Schmerz von gestern.’ Ich war noch so voll von Schmerz, dass ich dafür im wahrsten Sinne keinen Nerv mehr hatte.

Irritierend war, dass mein Kind so viel geschlafen hat, ich musste sie immer wecken, um sie zum Essen zu bewegen und das tat ich nur ungern. Das führte dazu, dass ich sie in den ersten Stunden viel zu wenig anlegte, nachdem das auch schon im Kreißsaal nicht passiert war. Später zeigte mir dann eine andere Stationsschwester erneut das Anlegen. Sie sagte mir aber, dass meine Brustwarzen zu kurz seien und mein Kind diese nicht greifen könne. Also wurden Stillhütchen geholt. Da kam ich mir schon das erste Mal wie eine Versagerin vor. Mit den Stillhütchen kam mein Kind tatsächlich besser zurecht, allerdings verrutschten diese ständig und mussten immer mit Wasser befeuchtet werden.

Das schlechte Gewissen stieg

Das wiederum führte dazu, dass mein Kind immer frustrierter wurde, weil es einfach nicht schnell genug ging. Zudem war ich verunsichert, weil ich einfach noch nichts von Milch merkte. Mir wurde zwar versichert, dass das normal sei, aber das schlechte Gewissen, dass mein Kind schon zwei Tage ohne Nahrung war, stieg. Durch meine Zimmernachbarin erhielt ich viele Tipps, und ich legte mein Kind häufiger an. Sie war es auch, die mir sagte, dass mein Kind die Neugeborenengelbsucht hatte, die durch ihre Geburtsverletzung am Kopf entstand. Das schwächte mein Kind und machte es so müde. Eigentlich wäre es da notwendig gewesen, meine zumindest etwas zuzufüttern, das wusste ich zu dem Zeitpunkt aber nicht. Ich ärgere mich heute, fünf Wochen danach, noch, dass ich das nicht wusste und es nicht eingefordert habe.

Die erste Nacht zu Hause war furchtbar. Das Kind schrie die ganze Nacht, und ich versuchte, sie mit und ohne Hütchen anzulegen. Doch meine Tochter konnte die Brust einfach nicht greifen und brüllte die ganze Nacht. Erst am Morgen schlief sie aus Erschöpfung einfach ein. Ich war so unsicher und wusste nicht, ob ich etwas zufüttern sollte. Ich hatte Angst, dass sie dann gar nicht mehr an die Brust wollte. Ich versuchte auch abzupumpen, aber die Verzweiflung und die Übermüdung ließen mich die Pumpe nicht richtig bedienen. Ich hatte mir zwar in der Schwangerschaft eine Pumpe gekauft, mich aber nicht weiter damit befasst.

Ich verband Stillen mit Angst und Furcht

Heute weiß ich, wie ich damit hätte umgehen müssen, aber in dieser ersten Nacht war ich zu keinem klaren Gedanken fähig. Gegen Mittag kam meine Hebamme und stellte einen hohen Gewichtsverlust meiner Tochter fest. Sie bestätigte mir auch, dass mein Kind die Brust verweigerte. Nachdem sie sich das Gebrüll beim Anlegen mit verschiedenen Stillpositionen angesehen hatte, sagte sie mit voller Überzeugung: ‘Abpumpen. Zumindest vorerst.’ Da fühlte ich zum ersten Mal so etwas wie Erleichterung. Dieses Geschrei beim Anlegen hatte das Stillen für mich mit Angst und Furcht verbunden. Abpumpen erschien für mich wie eine Erlösung.

Über die nächsten Tage pumpte ich, was das Zeug hielt und fütterte parallel PRE-Nahrung zu. Außerdem versuchte ich, meine Tochter immer wieder anzulegen. Allerdings konnte ich meine Milchmenge nicht erhöhen. Ich pumpte stündlich, nahm Bockshornkleekapseln, homöopathische Mittel, trank vier Liter Wasser am Tag, achtete auf meine Ernährung und versuchte möglichst stressfrei zu leben (es gelang mir allein nervlich nicht). Doch die Milch wurde nicht mehr. Das Abpumpen hingegen wurde zusätzlich zu einer nervlichen Belastung. Ich war nur noch darauf aus, dass meine Tochter schläft oder von meinem Mann betreut wurde, damit ich schnell wieder pumpen konnte, um die nächste Ration Muttermilch zu gewinnen.

Verlor immer mehr die Bindung zu meinem Kind

Die wertvolle Zeit zum Kuscheln blieb dabei auf der Strecke. Ich überlegte ständig hin und her, was ich tun sollte und machte mir eine Pro- und Kontra-Liste, auf der schließlich die Punkte für das Abstillen überwogen. Dennoch war mein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Tochter so groß, dass ich es weiter versuchte und dabei immer mehr die Bindung zu meinem Kind verlor. Ich glaube, ich habe in dieser Zeit die Menge, die ich in 29 Jahren bereits an Tränen vergossen hatte, noch einmal geweint.

Nach 18 Tagen erzählte ich meiner Hebamme schließlich von der Idee abzustillen, und sie verstand mich. Sie sah, dass das Abpumpen bei der geringen Milchmenge, die am Ende herauskam, einfach nicht reichte und für mich ein zusätzlicher Arbeitsschritt war, der mich meiner Tochter nicht näher brachte, sondern von ihr entfernte. Also stillte ich in den nächsten Tagen ab und stellte voll auf PRE-Nahrung um.

Mir ging es nach und nach besser, auch wenn das Thema Stillen für mich gegenwärtig blieb. Die erste Frage von Besuchern war: ‘Und klappt es bei dir mit dem Stillen?’, und in den Gesichtern stand die erhoffte Antwort, die ich Ihnen nicht geben konnte. Selbst der Kinderarzt zog ein trauriges Gesicht, als ich ihm mitteilte, dass mein Kind nun nur noch PRE-Nahrung erhielt. Seine Antwort: ‘Naja, sie wird auch mit der Flasche groß’, wollte einfach nicht zu seinem Gesichtsausdruck passen. Solche Reaktionen beschäftigen mich immer noch tagelang.

Stillen und Nicht-Stillen bleibt ein Dauerthema

Auch wenn ich für mich die Entscheidung inzwischen akzeptieren kann, so bleibt immer noch die Trauer darüber, dass es nicht geklappt hat. Das Thema Stillen und Nicht-Stillen ist für mich nach wie vor ein Dauerthema, mit dem ich sicherlich noch eine Weile zu tun haben werde und das für mich großen Redebedarf darstellt. Was mir inzwischen allerdings hilft, ist, dass es der Person, um die es dabei hauptsächlich geht, am wenigsten ausmacht und wahrscheinlich auch ausgemacht hat, nämlich meiner Tochter. Sie wächst, nimmt gut zu und macht auch sonst einen glücklichen Eindruck.

Heute wünschte ich, ich hätte mich vor der Geburt mehr mit den Seiten des Nicht-Stillens befasst, um nicht in so ein tiefes Loch zu fallen. Es gibt viel Aufklärung über das Stillen, und das finde ich lobenswert, aber es wäre so viel besser, wenn es auch genauso viele Informationen über das Nicht-Stillen geben würde. Stattdessen ist es ein Tabuthema, über das nur im Sinne von Rechtfertigung gesprochen wird. Jede Frau, die ihr Kind stillt, hat meine größte Achtung. Aber auch jede Frau, die ihr Kind nicht stillt, hat meinen größten Respekt, denn der Weg und die Entscheidung dazu waren mit Sicherheit nicht leicht. Wenn es die Gesellschaft noch nicht kann, dann sollten Frauen, ob sie nun stillen oder nicht, sich hier solidarisch und verständnisvoll zeigen. Denn wir haben doch eine große Gemeinsamkeit, wir sind Mütter und wollen nur das Beste für unsere Kinder.”

Erster Kommentar: “Ich verlor immer mehr die Bindung zu meinem Kind”

  1. Martina says:

    “Stattdessen ist es ein Tabuthema, über das nur im Sinne von Rechtfertigung gesprochen wird.”
    Stimmt, allerdings muss ich sagen, dass ich von Hebammen/Krankenschwestern/Ärzten nie irgendwie komisch angeschaut/umzustimmen versucht o.ä. wurde. Ich habe damals beim Aufnahmegespräch im Krankenhaus gesagt, dass ich nicht stillen werde und nach der Geburt die Abstillpille wolle, und damit war die Sache geritzt. Hatte ich anders befürchtet!
    Im persönlichen Umfeld fällt mir immer wieder auf, dass viele einfach irritiert sind, als würde man was tooootal Außergewöhnliches tun. Als Flaschenmuddi gehört man heutzutage offenbar echt zu einer Randgruppe, wird Zeit, dass sich Antidiskriminierungsbeauftragte unserer annehmen 😉 .

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