Katrin (38) aus Köln wollte stillen, aus ganzem Herzen. Doch ihre Tochter wollte nicht an Mamas Brust. Erst als die Kleine drei Monate alt war, konnte Katrin ihre Schuldgefühle langsam los werden – dank eines magischen Moments. Ein Erfahrungsbericht.
“Als ich schwanger war, begann ich mich zum ersten Mal wirklich mit Babys und Co. auseinander zu setzen. Wenn man so unbedarft im Internet recherchiert und nach den gängigen Meinungen geht, kommt man schnell zu dem Schluss: Natürlich will ich stillen, was auch sonst? Inzwischen würde ich den Satz so formulieren: Natürlich muss ich stillen, was soll ich auch sonst wagen? Ich hatte mir ein Buch über das Stillen besorgt und fühlte mich gewappnet. Ich kriege das hin, keine Frage.
Schließlich war es dann soweit. Und wie wohl keine Geburt so richtig planbar ist, so auch diese. Letztlich wurde es ein Kaiserschnitt, um das Leben meines Kindes nicht zu gefährden. Unabhängig davon jedoch, wie die Gesellschaft heute Kaiserschnitte sieht, bin ich für meinen Kaiserschnitt dankbar. Ich sehe die Narbe noch immer mit viel Liebe an, denn sie ist das Tor, durch das mein Baby lebend und wohlauf die Welt betreten hat. Nach der halben Stunde, die man brauchte, um mich wieder zusammen zu flicken, bekam ich mein kleines Mädchen schließlich auf die Brust gelegt. Es war alles so idyllisch: Mein Partner an meiner Seite und ich mit dem Baby, das etwas an meiner Brust nuckelte. Alles war so wie es sein sollte.
Als ich am nächsten Tag erwachte, wurde ich schmerzhaft aus meinem siebten Himmel gerissen. Ich konnte mich nicht bewegen, hatte höllische Schmerzen und das Baby schrie an meiner Brust oder schlief an ihr ein. Ich war darauf angewiesen, dass man mir das Kind anlegte. Krankenschwestern kamen, griffen ungefragt nach meiner Brustwarze, stopften sie meinem Kind in den Mund. Es half nichts, nichts konnte das Kind bewegen, effektiv zu saugen. Die meisten Anlegeversuche machten mein Baby einfach nur noch wütend. Da lag ich nun und alles, was ich tun sollte, war stillen. Und es klappte einfach nicht! Mein Kind schrie mich nur an und ich hatte nicht das Gefühl es zu nähren, die Mutter zu sein, die es am Leben hält. Ich hatte das Gefühl es zu quälen, es hungern zu lassen. Und dabei war ich so hilflos, gelähmt von meinen eigenen körperlichen Schmerzen. Das ging über Tage so, mein Baby nahm kaum etwas zu sich.
Dann kam die Erlösung vom Stillen
Dann, ich lag aufgrund der sommerlichen Wärme und meiner verzweifelten Versuche zu stillen schweißüberströmt in meinem Bett im Krankenhaus, kam eine Krankenschwester mit einer Milchpumpe an. Von da an pumpte ich ab und da meine Milch nicht reichte,
fütterten wir mit der Pulvermilch aus dem Krankenhaus zu. Was für eine Erlösung! Ich war unendlich dankbar, mein Kind nicht mehr hungern lassen zu müssen! Von da an ging es nicht nur mit dem Gewicht meines Babys bergauf, sondern langsam auch mit mir.
Zu Hause war ich dann bald in einem sich ständig wiederholenden Rhythmus gefangen. Ich konnte wenig mit meinem Kind kuscheln, ich musste abpumpen, immer wieder abpumpen. Zusätzlich mischten wir natürlich auch noch Pulvermilch an, damit das Kind satt werden konnte. Und ab und zu versuchte ich mein kleines Mädchen auch noch an meine Brust anzulegen, immer wieder vergeblich. Ich hatte Angst, sagen zu müssen, dass ich es nicht weiter versuchte. Was würde man von mir halten?
Ich wurde überredet, mit in ein Still-Café zu gehen. Ich schlich dorthin wie ein geprügelter Hund. Das Fläschchen mit der Pulvermilch musste mein Partner geben, ich hätte es vor Ort nicht selbst gewagt. Fragte man mich, ob ich stille, drehte sich mir der Magen um. Ich verhedderte mich in Entschuldigungen und Rechtfertigungen. Vielleicht hätte ich noch einen Rest Selbstbewusstsein gehabt, wenn er mir beim stundenlangen Surfen in Elternforen nicht genommen worden wäre. Selbst die subtilen kleinen Nadelstiche, die diejenigen, die sie austeilten, vermutlich nicht mal bemerkten, taten weh. Und die Hexenjagden und Verteufelungen gegenüber Pulvermilch und Pulvermilchmuttis, die dort völlig offen ausgetragen wurden, sowieso.
Im dritten Monat geschah plötzlich das Wunder. Die Kleine trank auf einmal von meiner Brust als hätte sie nie etwas anderes getan! Ungläubig genoss ich dieses Gefühl und war gleichzeitig verwirrt. Wie sollte es nun weitergehen? Ich hatte ja nie genug Muttermilch gehabt und es wurde auch immer weniger. Sollte ich nun wirklich unseren ganzen Rhythmus, den wir gefunden hatten über Bord werfen? Sollte ich alles wieder durcheinander bringen? In der Hoffnung, es würde so werden, wie es sein soll, wie es scheinbar sein musste? Niemand würde mehr komisch schauen, skeptisch nachhaken warum ich nicht stille? Die anderen Mütter und ihre Blicke könnten mir fortan egal sein, weil ich nun dazugehören könnte?
Das Gefühl, mein Kind an meiner Brust nähren zu können, war schön. Aber war es das auch immer und immer wieder? Ich fühlte, meine Brustwarzen würden dies nicht einfach so hinnehmen.
Ich hatte nun zum ersten Mal die Möglichkeit, beide Wege zu gehen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, mich wirklich entscheiden zu können. Und ich wollte mir nicht von der Gesellschaft die Entscheidung abnehmen lassen.
Und dann traf ich eine Entscheidung. Zwei Wochen lang stillte ich, wann immer es in unseren Pulvermilch-Fütter-Rhythmus passte oder Einschlafstillen nötig war. Ich genoss die paar Male gezielt und bewusst.
Dann stillte ich ab.
Mein Kind und ich, wir hatten unseren Weg und unseren Rhythmus bereits gefunden. Es war gut so. Tief in mir drin fühlte ich, dass meine Erkenntnis wichtiger war als alles, was da draussen sozial erwünscht sein mag.
Ich bin eine aufgeklärte, gebildete Frau. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Ich weiß, dass Pulvermilchkinder genauso groß werden wie gestillte Kinder. Ich weiß, dass die einen Studien mal mehr in die eine und mal mehr in die andere Richtung schlagen. Ich bin zudem in Statistik und wissenschaftlichen Vorgängen gebildet, ich weiß, was Studien alles beeinflussen können.
Es geht nicht darum, dass Muttermilch in manchen Aspekten statistisch gesehen minimal günstigere Auswirkungen haben kann als Pulvermilch (in deutschsprachigen Ländern). Es geht nicht darum, dass Muttermilch von der Natur für Babys vorgesehen ist. Es geht nicht darum, dass Muttermilch möglichweise schadstoffbelasteter als Pulvermilch ist. Es geht auch nicht darum, dass hinter beiden, der Pulver- aber auch der Muttermilch, eine Industrie steht, die Geld verdienen will.
Es geht um Respekt
Es geht eigentlich um Respekt. Respekt vor den Entscheidungen anderer. Respekt davor, dass jeder seine eigenen Gründe und Wertigkeiten hat. Und nur weil man diese nicht teilt, sind diese Entscheidungen nicht gleich schlechter, dumm oder aus Unwissenheit getroffen worden. Eine Pulvermilchmutti ist nicht die stupide, asoziale, unaufgeklärte, egoistische, kindvernachlässigende Mutter, wie sie gerne dargestellt wird. Es mag solche Personen geben, aber ich bin mir sicher, man findet sie auch genauso bei den Stillmuttis. Genauso wie eine Frau, die ihre Kinder lange Zeit stillt, nicht komisch oder ein bisschen krank im Kopf ist.
Die Zeit des Missionierens ist vorbei. Wir leben nicht mehr Mittelalter. Wir Frauen in Deutschland müssen nicht mehr aufgeklärt werden. Ja, Information kann niemanden schaden. Immer gerne. Aber nicht mit sozialem Druck, nicht mit Schwarz-Weiß-Malerei, nicht mit Verteufelungen. Das ist einfach nur traurig, lächerlich und unnötig.
Es wird Zeit, dass wir uns alle die Hand geben. Die Pulvermilchmamis, die Stillmamis, die Gläschenmamis, die Bio- und Selfmademamis. Wir müssen alle nicht so verunsichert sein was unsere Kinder angeht. Wir müssen nicht alles, was anders ist, schlecht machen. Unsere Kinder sind wichtig. Unsere Kinder sind unser Leben. Kinder sind jedoch Menschen und keine rohen Eier. Mit unseren Kindern geht es nicht gleich bergab, weil wir etwas anders machen als der soziale Druck es uns auferlegen möchte.
Im Gegenteil. Wir sind gute Eltern, weil wir den Weg gehen, der am besten zu uns und nicht zu den anderen passt!”
Wir empfehlen:
Katrin ist studierte Psychologin und schreibt in ihrem Blog “Das schwarze Mutterschaf”darüber, dass wir Mütter zum Glück nicht immer perfekt sein müssen.
Du hast etwas Ähnliches erlebt und möchtest uns und andere Frauen gern an deiner Geschichte teilhaben lassen? Dann schreibe uns!
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